Josi und ihre Freunde by Lise Gast

Josi und ihre Freunde by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-26T00:00:00+00:00


Wach auf, Nele! Aufwachen, hörst du nicht?“

Hille stand, über die Freundin gebeugt, an deren Couch und rüttelte sie. „Du willst dich doch in Ruhe fertigmachen können. Los, auf, auf!“

„Ich heiße nicht mehr Nele“, kam es verschlafen zurück, fast unverständlich, „ab heute heiße ich Conni. Henner hat sich das gewünscht. Er findet, Nele paßt nur für Kinder. Conni Hauff – das ‚von‘ kannst du ruhig weglassen.“

„Übertriebene Bescheidenheit! Warum nicht von Hauff, wenn der Mann nun mal so heißt? Also Conni – ich will mir Mühe geben. Wenn du auch für mich immer das Küken Nele bleiben wirst.“ Hille war zwei Jahre älter als die Freundin. Sie tat, als wäre sie eine Großmutter.

Dies war aber nur ein wenig Schauspielerei und Ironie. Hille fühlte eine unverhältnismäßig starke Rührung, während sie die Freundin betrachtete. Sie selbst war seit vier Jahren verheiratet, besaß ein Kind und erwartete das zweite. Ihr Mann war eingezogen wie alle Männer dieses Alters, das übliche also heutzutage. Nun wohnte Nele schon ein halbes Jahr bei ihr, seit deren Eltern ausgebombt und nach Süddeutschland gezogen waren. Nele hatte nicht mitgekonnt, sie war in einem Werk dienstverpflichtet und gern geblieben.

„Ich habe mir immer gewünscht, in Marienbrunn leben zu dürfen“, hatte sie lachend gesagt, als sie mit einem winzigen Köfferchen in der Hand vor der Tür stand. Hille nahm sie gleichzeitig stürmisch und zärtlich um den Hals.

„Siehst du, du bist ein Sonntagskind! Alle deine Wünsche gehen in Erfüllung!“

Warum war sie nur durch die Tatsache, daß Nele heute heiratete, so bewegt? Der Mann gefiel ihr, er war groß, jung und frisch, Jagdflieger, aus bester Familie.

„Aus zu guter“, hatte Nele anfangs bedenklich gesagt. „Ob ich wohl in eine adlige Familie hineinpasse?“

„Welch ein Unsinn! Wer heiratet denn heute noch die Familie mit? Nicht mal mit der Familie heiratet man.“

Und dann hatte Hille ihr angeboten, die Hochzeit für sie auszurichten. Sie hatte Lebensmittelmarken gespart und Beziehungen spielen lassen, und ganz Marienbrunn half. Das war ja das nette am Leben in dieser Gartenstadt: Die meisten Leute hatten zwar einen Tick, aber meistens einen liebenswerten, und sie hielten zusammen wie eine große Familie, jetzt mehr denn je.

„Ich borge dir meine gute Bluse, hab’ sie schon gebügelt“, erzählte Hille eifrig. „Du wirst großartig darin aussehen mit dem neuen Kostüm. Eine Figur hast du – ich glaube, Vater füttert dich nicht genug“, setzte sie lachend hinzu. Vater Hollmann hatte in diesem Kreis das Amt des Küchenchefs übernommen, da seine Frau nicht mehr lebte und Hille halbtags arbeitete, jedenfalls noch, bis das nächste Kind kam. Nele stand am Fenster und reckte sich in ihrem alten Schlafanzug, der ihr von einem ihrer Brüder geblieben war. Wer kaufte sich heute etwas Neues, wenn er das Glück hatte, alte Sachen auftragen zu können?

Freilich kam es einem merkwürdig vor, so von heute auf morgen zu heiraten, in geborgter Bluse, ohne Beisein von Eltern und Brüdern, nur, weil Henner plötzlich Urlaub hatte. Aber so ging es ja vielen, den meisten. Man mußte ja dazu sagen, wie man es zu tausend anderen merkwürdigen Dingen zu sagen gelernt hatte:



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